Zwangsarbeit

Zwangsarbeit

Russische und serbische Zwangsarbeiter in der Völklinger Hütte
Copyright: Weltkulturerbe Völklinger Hütte | Archiv Seibold

Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Völklinger Hütte ist der Einsatz von Zwangsarbeitern in beiden Weltkriegen.

Was ist Zwangsarbeit?

Als „Zwangs- oder Pflichtarbeit" (…) gilt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.  (ILO 29, Artikel 2 Abs. 1). 

So definierte die „International Labour Organization“ (ILO), 1919 als ständige Einrichtung des Völkerbundes gegründet und heute älteste Unterorganisation der UNO, im Jahr 1930 den Begriff der Zwangsarbeit und verbot diese im „Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit“ aus demselben Jahr.

Der Erste Weltkrieg

Auslöser für das Verbot der Zwangsarbeit waren die Praktiken, mit denen versucht wurde, dem Mangel an Arbeitskräften im Verlauf des Ersten Weltkriegs Herr zu werden. Der Einsatz von Kriegsgefangenen stand im Einklang mit der Haager Landkriegsordnung und wurde von den meisten kriegsführenden Staaten betrieben. Bei den zivilen Zwangsarbeitern wurde im Verlauf des Krieges der Übergang von freiwilliger Anwerbung zur Zwangsarbeit stetig fließender. Vor allem Arbeitslose wurden aus den besetzten Gebieten u.a. Belgien, Litauen, Russisch-Polen ins Deutsche Reich verbracht und dort zur Zwangsarbeit eingesetzt.

In den Jahren 1915 – 1918 haben nach Angaben der Firmenchronik bis zu 1.446 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Völklinger Hütte gearbeitet. Diese stammten zum größten Teil aus Russland und Belgien. Mit Namen, Geburtsdatum und Herkunft bekannt sind die 143 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Polen, Russland, Belgien, Frankreich und Italien, die in Völklingen zu Tode gekommen und im Sterberegister der Stadt Völklingen erfasst sind.

Der Zweite Weltkrieg

Als während des Zweiten Weltkrieges wieder Arbeitskräftemangel eintrat, erinnerten sich der NS Führungsstab und deutsche Großindustrielle an die Rekrutierungsmaßnahmen von Zwangsarbeitern im vorangegangenen Krieg. Um das Verbot der Zwangsarbeit scherten sie sich dabei wenig. Deutschland war nach der Machtergreifung Hitlers aus dem Völkerbund ausgetreten.

Eine besondere Rolle nahm dabei Hermann Röchling mit seinen führenden Funktionen im Deutschen Reich (Dritten Reich) ein. Als „Wehrwirtschaftsführer“, Mitglied des Rüstungsrates, Vorsitzender der "Reichsvereinigung Eisen" und Reichsbeauftragter für Eisen und Stahl in den besetzten Gebieten, war er an der Rekrutierung und Verschleppung von Zwangsarbeitern aus den besetzten Ländern Europas in die Eisen- und Stahlwerke des gesamten Deutschen Reichs maßgeblich beteiligt. Sie liefen unter den Namen „Röchling-Programm“, „Röchling-Aktion“ oder auch „Röchling-Transporte“ .

Insgesamt arbeiteten während des Zweiten Weltkrieges etwa 70.000 ausländische Arbeitskräfte und Kriegsgefangene in den Bergwerken, Hütten und Fabriken des Saarreviers. In der Völklinger Hütte und ihren Nebenbetrieben wurden 11.974 Männer, Frauen und Kinder als Zwangsarbeiter registriert. Unter ihnen waren französische, italienische und russische Kriegsgefangene oder aus der damaligen Sowjetunion verschleppte russische und ukrainische Zivilpersonen.

Die meisten von ihnen konnten nur unter Anwendung oder Androhung von Repressalien dazu gebracht werden, sich an der Produktion der Waffen zu beteiligen, die gegen ihre Heimatländer eingesetzt wurden. Das wichtigste Zwangsinstrument war das betriebliche "Arbeitserziehungslager" Etzenhofen, das die Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke zur ‚Disziplinierung‘ der Arbeiter einsetzten. ‚Widersetzliche‘ ausländische Arbeiter wurden hier nach der Schicht mit Schlafentzug und Strafexerzieren abgestraft. Tagsüber wurden diese Arbeiter an den härtesten und gefährlichsten Arbeitsplätzen eingesetzt.

Besonders hart von Repressalien betroffen waren die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, die sogenannten "Ostarbeiter". Unter ihnen war die Sterblichkeit höher als bei allen anderen. Die Arbeitsbedingungen waren diskriminierend und unmenschlich. 261 ausländische Arbeitskräfte, in der Mehrheit Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, kamen zu Tode. Darunter befanden sich auch sechzig Kinder und Kleinkinder.

Zwangsarbeit heute

Auch im 21. Jahrhundert bleiben Menschenhandel, Zwangs- und Kinderarbeit eine grundlegende Herausforderung für die internationale Gemeinschaft. Nach Schätzung der ILO sind weltweit 40 Millionen Menschen von Formen moderner Sklaverei betroffen. Während die Opfer unter den Folgen der Ausbeutung leiden, erwirtschaften die Täter Profite in Milliardenhöhe. Allein im privaten Sektor, der rund 90 Prozent der Zwangsarbeiter beschäftigt, werden jährlich 150 Milliarden US-Dollar an illegalen Profiten erzielt, 47 Milliarden davon allein in Europa und anderen Industrienationen. Der Profit in Industriestaaten ist dabei um ein Vielfaches höher als in Entwicklungsländern. 

Quelle: ILO Deutschland vom 21. März 2019

Listen der Zwangsarbeiter in beiden Weltkriegen

LIsten der Zwangsarbeiter Beider Weltkriege (PDF)

LIsten der Zwangsarbeiter Beider Weltkriege (PDF)